Was hilft wirklich gegen Gefühle von Einsamkeit und sozialer Isolation?
Auf diese Frage konzentriert sich die empirische Wirkungsforschung. Hier sind sogenannte. Meta-Analysen der wissenschaftliche Gold-Standard zur Beantwortung der Frage, ob eine Maßnahme wirksam ist oder nicht. Eine Meta-Analyse ist eine statistische, quantitative Zusammenfassung der Ergebnisse vorliegender empirischer Evaluationsstudien.
Für unsere Frage besonders relevant ist die Meta-Analyse von Masi, Chen, Hawkley und Cacioppo (2011). Diese Autorengruppe fasst die Befunde aus 40 Interventionsstudien zusammen, in denen die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen empirisch überprüft wurde.
Die Ergebnisse von Masi et al. (2011) lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Am wirksamsten sind sozial-kognitive Trainingsinterventionen (mittlere Effektstärke ES = 0.60). Sozial-kognitive Trainingsinterventionen stellten einem/einer KlientIn praktische Trainingseinheiten zur Verfügung, mit denen sie/er gezielt trainiert, Einsamkeits- und Isolationsgefühlen begünstigende Denkmuster zu durchbrechen. Wirksam sind auch Interventionen zur gezielten sozialen Unterstützung (schwache Effektstärke ES = 0.16), d.h. Interventionen, die einsamen, sozial isoliert lebenden Menschen gezielt soziale Kontakte und soziale Unterstützung anbieten. Ferner finden Masi et al., dass die Durchführung dieser beiden Interventionstypen in einer Gruppe deutlich wirksamer (ES = 0.53) ist, als ihre Durchführung mit Einzelpersonen (ES = 0.16). Für zwei andere untersuchte Maßnahmentypen (soziales Fähigkeitstraining und Maßnahmen zur Schaffung von mehr Gelegenheiten für soziale Interaktion) kann die Meta-Analyse hingegen keine Wirksamkeit nachweisen.
Vor kurzem haben Steffens et al. (2019) eine weitere Meta-Analyse publiziert, in der die Wirksamkeit von Interventionen zur Reduktion von Angst, Depression und Stressgefühlen bzw. die Erhöhung von Lebensqualität, Wohlgefühl und Selbstwertgefühl untersucht wird.
Dabei gehen Steffens et al. davon aus, dass Interventionen, die zu einer Stärkung der sozialen Identifikation, also dem Gefühl, ein anerkanntes und akzeptiertes Mitglied einer persönlich bedeutsamen sozialen Gruppe zu sein, positive Effekte auf die psychische und physische Gesundheit haben. Sie stützen diese Annahme auf den berichteten Befund von Masi et al. (2011), dass gruppenbasierte Interventionen wirksamer sind als personenbasierte. Steffens et al. (2019) fassen die Befunde aus 27 Evaluationsstudien zusammen, die alle die Wirksamkeit von Interventionen untersuchen, die auf die Stärkung der sozialen Identifikation (des „Wir“-Gefühls) ausgerichtet sind. Über alle 27 Studien ermittelten sie eine mittlere Effektstärke (ES = 0.66). Aufschlussreicher sind die für spezifische Interventionstypen ermittelten Effektstärken: So sind Interventionen, bei denen es darum geht, gemeinsam Entscheidungen zu treffen, die für die eigene Gruppe relevant sind, besonders wirksam (k = 4; ES = 1.26). Ein Beispiel hierfür wäre der Einbezug von HeimbewohnerInnen bei Entscheidungen über das Essen, über Freizeitaktivitäten oder ähnliches. Ferner bestätigen Steffens et al. den Befund von Masi et al., dass sozial-kognitive Trainingsinterventionen sehr wirksam sind (k = 6; ES = 1.02). Interventionen, die das gemeinsame Ausführen von Aktivitäten in den Mittelpunkt stellen, haben eine mittlere Effektstärke (k = 13; ES = 0.40). Steffens et al. finden aber keine empirischen Belege dafür, dass Interventionsformen, die das gemeinsame Erinnern (z.B. alte Fotos/ Filme angucken) in den Mittelpunkt rücken, wirksam sind (k = 3; ES = −0.05).
Wenn Sie mehr über die Logik der empirischen Wirkungsforschung bzw. die Befunde aus den beiden Meta-Analysen erfahren wollen, lesen Sie bitte hier weiter.
[section=Hilft das wirklich gegen Einsamkeit und sozialer Isolation? – Befunde empirischer Wirkungsanalysen]
Die Ideenliste, wie sich unter den Bedingungen eines Lock-Downs etwa in Alten-, Pflege- und Behinderten-Wohnheimen Gefühle von Einsamkeit und sozialer Isolation reduzieren lassen, ist lang und vielfältig. Von Umarmungsboxen, Briefe schreiben, Videobotschaften schicken, bis zu rollenden Discos und Hofkonzerten reichen die Vorschläge. Alle diese Vorschläge können Menschen glücklich machen und sollten, wenn die Gelegenheit besteht, realisiert werden. Uns treibt dennoch die Frage um, ob diese vorgeschlagenen Aktivitäten tatsächlich geeignet sind, bei vielen Menschen wirksam Gefühle von Einsamkeit und sozialer Isolation zu reduzieren. Fühlen sich Menschen, die an solchen Aktivitäten teilnehmen, danach wirklich weniger einsam und weniger sozial isoliert als Menschen, die an solchen Aktivitäten nicht teilnehmen?
Was ist empirische Wirkungsforschung?
Auf diese Frage konzentriert sich die empirische Wirkungsforschung. Hier steht die Frage „Funktioniert die Maßnahme?“ im Mittelpunkt. Diese Frage kann nicht am grünen Tisch entschieden werden. Sie muss über empirische Evaluationsstudien untersucht werden. Empirische Evaluationsstudien kreisen um die Frage: „Wie würde sich die Person fühlen, wenn sie nicht an der Maßnahme teilgenommen hat?“ Eine Maßnahme wird dann als wirksam angesehen, wenn sich im Durchschnitt mehr Personen, die an der Maßnahme teilgenommen haben, weniger einsam fühlen, als Personen, die nicht an der Maßnahme teilgenommen haben.
Die Logik empirischer Wirkungsforschung
Im Mittelpunkt der empirischen Evaluationsforschung steht die Frage, wie man die Gruppe organisiert, die nicht an der Maßnahme teilnimmt. Denn diese Gruppe liefert den Vergleichs-Maßstab zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Intervention wie z.B. Briefe schreiben, Videobotschaften schicken oder rollende Disko. Wie diese Vergleichsgruppe konstruiert wird, ist von zentraler Bedeutung für die methodische Aussagekraft einer Evaluationsstudie. Die methodisch größte Aussagekraft haben dabei echte Experimente (randomized group comparisons design), gefolgt von Quasi-Experimenten (non-randomized group comparisons design) und einfachen Pre-Post-Test-Designs (Shadish, Cook, & Campbell, 2002).
Meta-Analysen als wissenschaftlicher Goldstandard
Inzwischen sind sogenannte Meta-Analysen der wissenschaftliche Gold-Standard zur Beantwortung der Frage, ob eine Maßnahme wirksam ist oder nicht. Eine Meta-Analyse ist eine statistische Zusammenfassung der Ergebnisse vieler, möglichst aller zugänglichen empirischen Evaluationsstudien eines bestimmten Themas (Borenstein, Hedges, Higgins, & Rothstein, 2011). So lässt sich der erwartbare „Durchschnittseffekt“ eines spezifischen Interventionstyps empirisch abschätzen.
Klassifikation von Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen
Zur Vorbereitung einer Meta-Analyse ist es notwendig, die Vielzahl möglicher Maßnahmen zu übergeordneten Maßnahmengruppen zusammen zu fassen, deren Wirksamkeit dann abgeschätzt werden kann. Nach Masi et al. (2011) gibt es in der Einsamkeitsforschung den Konsens, folgende vier Hauptstrategien zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen zu unterscheiden:
- Das Schaffen von mehr Gelegenheiten für soziale Interaktion: Darunter versteht man Interventionen, die darauf abzielen, bspw. ein Heim oder ein Wohnumfeld so zu gestalten, dass mehr Gelegenheit zu spontanen Interaktionen entsteht. Ein Beispiel ist das Einrichten einer Ecke zum Blutdruckmessen im Eingangsbereich eines Altenwohnheims. Die BewohnerInnen nutzen intensive diese Möglichkeit nicht zuletzt, weil sich beim Blutdruckmessen vielfältige Gelegenheiten zur sozialen Interaktion und zu Gesprächen ergeben (siehe z.B. Pilisuk, & Minkler, 1980).
- Die gezielte soziale Unterstützung: Darunter werden Interventionen verstanden, die einsamen, sozial isoliert lebenden Menschen gezielt soziale Kontakte und soziale Unterstützung anbieten. Ein Beispiel ist eine Intervention, in der verwitwete Frauen trainiert werden, Menschen im Umgang mit Trauer zu unterstützen und bei der Entwicklung einer neuen Zukunftsperspektive zu unterstützen. Die trainierten Frauen nehmen dann gezielt Kontakt mit Menschen auf, die sich nach dem Tod eines Angehörigen einsam oder sozial isoliert fühlen und helfen ihnen, ihr neues Leben zu organisieren (siehe z.B. Vachon, Lyall, Rogers, et al, 1980).
- Die Verbesserung sozialer Fähigkeiten (Skill Training): Darunter versteht man Interventionen, die auf das gezielte Training verbaler Verhaltensweisen abzielen. Dabei wird davon ausgegangen, dass Einsamkeit und soziale Isolation auf mangelnden kommunikativen Fähigkeiten beruht, wie z.B. der Fähigkeit, gezielt einen Bezug zum Kommunikationspartner (z.B. seinen Einstellungen, Aktivitäten oder Erfahrungen) herstellen zu können (siehe z.B. Jones, Hobbs, & Hockenbury, 1982).
- Die Sozial-kognitive Trainingsintervention: Hintergrund dieses Interventionstyps ist das Verständnis von Einsamkeitsgefühlen als psychologisches Phänomen, d.h. als Resultat von kognitiven Überzeugungsmustern, die ähnlich wie bei der Depression das Entstehen von Gefühlen der Einsamkeit bzw. der sozialen Isolation erzeugen oder fördern. Die Intervention stellt einem/einer KlientenIn praktische Trainingseinheiten zur Verfügung, mit denen sie/er gezielt trainiert, die Einsamkeits- und Isolationsgefühlen begünstigenden Denkmuster zu durchbrechen (siehe z.B. Käll, Backlund, Shafran, & Andersson, 2020).
Ergebnisse einer Meta-Analyse zur Wirksamkeit der vier Einsamkeitsgefühle reduzierenden Maßnahmentypen
Für das Projekt (Gem)einsam durch Corona besonders relevant ist die von Masi, Chen, Hawkley und Cacioppo (2011) durchgeführte Meta-Analyse. Zum damaligen Zeitpunkt konnte diese Autorengruppe nach intensiver Literaturrecherche insgesamt 40 Interventionsstudien identifizieren, in denen die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Reduktion von Einsamkeitsgefühlen empirische überprüft wurde. Die Interventionen wurden von den Autoren jeweils den oben dargestellten vier Maßnahmentypen zugeordnet. Die von Masi et al. durchgeführte Meta-Analye ist derzeit immer noch die umfangreichste Meta-Analyse zur Wirksamkeit von Maßnahmen zur Reduzierung von Einsamkeitsgefühlen.
In Tabelle 1 sind die Befunde von Masi et al. (2011) dargestellt. Wie ist Tabelle 1 zu lesen? In der Kopfzeile steht immer die Datenbasis, d.h. die Gesamtanzahl an Studien, deren Befunde zusammengefasst wurden. Dann folgt die Information, wie die Gruppe konstruiert wurde, mit der die Einsamkeitsgefühle der Personen verglichen werden, die an einer Maßnahme teilgenommen haben.
Wie oben gesagt, entscheidet die Art, wie diese Vergleichsgruppe gebildet wurde, über die methodische Qualität der jeweiligen Evaluationsstudien. So stellen einfache Pre-Post Tests die methodisch am wenigsten belastbare Konstruktion einer Kontrollgruppe dar (sog. Blechstandard). Pre-Post-Test Design heißt, dass man die in der Teilnehmergruppe vor (Pre) Durchführung einer Maßnahme gemessene Einsamkeit als Vergleichsmaßstab für die später (Post) ebenfalls in der Teilnehmergruppe gemessene Einsamkeit benutzt. Die Wirksamkeit der Maßnahme wird dann über die Pre-Post-Test Differenz erfasst: Je größer diese Differenz ist, desto wirksamer ist die Maßnahme. Neben den Pre-Post-Test gibt es Studien, in denen eine natürliche Gruppe (z.B. andere Etage in einem Wohnheim) als Kontrollgruppe benutzt wird. Die Wirksamkeit der Maßnahme wird über die Differenz aus dem Einsamkeitswert der Kontrollgruppe und der Interventionsgruppe erfasst: Je größer diese Differenz ist, desto wirksamer ist die Intervention. Das Verwenden von nicht randomisierten Kontrollgruppen wird als Silberstandard bezeichnet.
Der Goldstandard bei der Konstruktion von Vergleichsgruppen sind sogenannte randomisierte Kontrollgruppen- Designs. Auch hier wird die Wirksamkeit der Maßnahme über die Differenz aus dem Einsamkeitswert der Kontrollgruppe und der Interventionsgruppe erfasst: Je größer diese Differenz ist, desto wirksamer ist die Intervention. Mit anderen Worten, die in Tabelle 1 auf Grundlage von randomisierten Kontrollgruppen ermittelten Wirksamkeitsbefunde sind methodisch belastbarer als die auf Grundlage von einfachen Pre-Post-Tests ermittelten Befunde.
Ferner finden Sie in der Tabelle die über einen Maßnahmentyp ermittelte durchschnittliche Wirksamkeit, die sog. Effektstärke, abgekürzt ES. Die ES ist ein skalenunabhängiges Differenzmaß, d.h. es ist über Studien vergleichbar, in denen sehr unterschiedliche Skalen zur Messung von Einsamkeitsgefühlen verwenden wurden. Effektstärken von 0 – .10 bedeuten, dass eine Maßnahme faktisch unwirksam ist. Effektstärken von .10 – .30 heißen, dass eine Maßnahme einen kleinen Effekt hat. Effektstärken von .30 – .70 deuten auf einen mittleren Effekt hin und Effektstärken über .70 auf starke Wirksamkeit einer Maßnahme hin.
Tabelle 1. Ergebnisse der Meta-Analye von Masi et al (2011)
Datenbasis: 12 Evaluationsstudien mit einfachen Pre-post Designs (Blech-Standard); in dieser Gruppe von Studien hat keine Studie die Wirksamkeit von Sozialemn Fähigkeitstraining überprüft.
- Durchschnittliche Effektstärke von sozial-kognitiven Trainingsinterventionen:
ES = 1.58 (N=3; 95% CI: −3.18, 0.02; p= .053)
- Durchschnittliche Effektstärke von Maßnahmen gezielter sozialer Unterstützung:
ES =0.340 (N=5; 95%CI: −0.49, −0.19; p< .001)
- Durchschnittliche Effektstärke von Maßnahmen zur Schaffungen von mehr Gelegenheiten für soziale Interaktion:
ES = 0.273 (N=4; 95% CI: −0.48, −0.07; p< .01)
Datenbasis: 18 Evaluationsstudien mit nicht randomisierten Kontrollgruppen (Silber-Standard).
- Durchschnittliche Effektstärke gruppenbasierter Interventionen:
ES = 0.53 (k=14; p < .01); - Durchschnittliche Effektstärke individuenbasierter Interventionen:
ES = 0.16 (k=4; p > .3).
Datenbasis: 20 randomisierte Kontrollgruppen (Gold-Standard)
- Durchschnittliche Effektstärke sozial-kognitiver Trainingsinterventionen:
ES = 0.598 (k=4; p = 0.001)
- Durchschnittliche Effektstärke von Maßnahmen gezielter sozialer Unterstützung:
ES = 0.162 (k =12; p = 0.003),
- Durchschnittliche Effektstärke von sozialer Fähigkeitstraining:
ES = 0.017 (k= 2; p = 0.90) - Durchschnittliche Effektstärke von Maßnahmen zur Schaffung von mehr Gelegenheiten für soziale Interaktion:
ES = 0.06 (k = 2; p = 0.67)
Danach lassen sich die Befunde der Meta-Analyse von Masi et al. (2011) folgendermaßen zusammenfassen: Je „härter“ das methodische Vorgehen bei der Evaluation ist, desto kleiner werden die Effektstärken. Wenn man den Goldstandard – randomisierte Kontrollgruppe – nimmt, haben sozial-kognitive Trainingsintervention eine mittlere Wirksamkeit (ES = 0.60) und Interventionen zur gezielten sozialen Unterstützung einen schwachen Effekt (ES = 0.16).
Für die beiden anderen Maßnahmentypen – soziales Fähigkeitstraining und Maßnahmen zur Schaffung von mehr Gelegenheiten für soziale Interaktion – kann die Meta-Analyse hingegen keine Wirksamkeit nachweisen. Eine methodische Einschränkung dieser Bewertung besteht in der geringen Anzahl an Studien mit randomisierten Kontrollen, die zu beiden Maßnahmentypen vorliegen (k = 2)
Ergebnisse der Meta-Analyse von Steffens et al. 2019:
Vor kurzem haben Steffens, LaRue, Haslam, et al. (2019) eine Meta-Analyse publiziert, die aus einer anderen Perspektive für unsere Frage nach der Wirksamkeit von Interventionen zur Reduktion der Belastungen durch Lock-down Situationen relevant ist. In dieser Meta-Analyse geht es nicht direkt um die Reduktion von Einsamkeitsgefühlen, sondern um die Reduktion von Angst, Depression und Stressgefühlen bzw. die Erhöhung von Lebensqualität, Wohlgefühl und Selbstwertgefühl. Das sind alles psychologische Phänomene, die für die Bewältigung von Lock-down Situationen relevant sind. Wichtig ist hier, dass diese Autorengruppe diese Frage aus einer spezifischen theoretischen Perspektive angeht, nämlich der Perspektive der sozialen Identität. Steffens et al. gehen davon aus, dass Interventionen, die zu einer Stärkung der sozialen Identifikation, d.h. dem Gefühl, ein anerkanntes und akzeptiertes Mitglied einer persönlich bedeutsamen sozialen Gruppe zu sein, positive Effekte auf die psychische und physische Gesundheit haben. Dabei beziehen sie sich auf auf die Meta-Analyse von Masi et al. (2011, siehe Tabelle 1), die ja auch schon berichtet, dass gruppenbasierte Interventionen deutlich wirksamer (ES = 0.53) sind, als Individuenzentrierte (ES = 0.16). Die Meta-Analyse von Steffens et al. (2019) fokussiert darauf, wie folgende spezifische Gruppeninterventionstypen die psychische und physische Gesundheit fördern:
- Definition Gemeinsames Erinnern (Grodnitzky, 1993; Haslam, Haslam, Ysseldyk, et al., 2014): TeilnehmerInnen führen Aktivitäten aus, die sich um das Reflektieren vergangener Erinnerungen, Erfahrungen und Ereignisse drehen, die wichtig für das Individuum oder die Gruppe als Ganzes sind.
- Definition Gemeinsames Ausführen von Aktivitäten (Gleibs, Haslam, Haslam, and Jones, 2011; Morris et al., 2012): TeilnehmerInnen führen zusammen Aktivitäten aus. Zusammen Aktivitäten ausführen kann heißen, dass die Gruppenmitglieder gleichzeitig die selbe individuelle Aufgabe (z.B. Bild malen) ausführen, oder eine Aktivität als Gruppe (z.B. Teamsport) ausführen.
- Definition Treffen gruppenrelevanter Entscheidungen (Knight et al., 2010; Haslam, Haslam, Knight, et al., 2014): TeilnehmerInnen führen Aktivitäten aus, die auf das Reflektieren und Fällen von Entscheidungen fokussieren, die die Gruppe und ihre Mitglieder betreffen. Dazu explorieren die TeilnehmerInnen Aspekte des Gruppenlebens (einschließlich Interessen, Präferenzen, Prozeduren und Räume), die definieren, wie die Gruppe als Gruppe zusammenarbeitet und/oder wie Mitglieder zum Funktionieren der Gruppe beitragen.
- Definition sozial-kognitive Trainingsintervention (Dingle et al., 2015; Meuret et al., 2016): TeilnehmerInnen beteiligen sich an Programmen, die einen psycho-edukativen oder psycho-therapeutischen Fokus haben. Die Interventionen haben den expliziten Fokus darauf, dass Selbst zu entwickeln, um Gesundheit und Funktionsfähigkeit zu erhöhen.
Insgesamt fassen Steffens et al. (2019) 27 Evaluationsstudien zusammen, die die Wirksamkeit einer Intervention untersuchen, die ihrer Definition einer auf die Stärkung der sozialen Identifikation (des „Wir“-Gefühls) ausgerichteten Intervention entspricht. An diesen 27 Evaluationsstudien nehmen N = 2.230 Personen teil. Die über alle 27 Studien ermittelte durchschnittliche Effektstärker beträgt ES =0.66, was einer mittleren Effektstärke entspricht. Interessant sind die für die einzelnen Interventionstypen ermittelten durchschnittlichen Effektstärken:
- Treffen gruppenrelevanter Entscheidungen:
ES = 1.26 (k = 5; 95%CI[0.61, 1.91], p < .001), - Sozial-kognitive Trainingsinterventionen:
ES = 1.02; (k = 6; 95% [0.44, 1.61] p < 001), - Gemeinsames Ausführen von Aktivitäten:
ES = 0.40 (k = 13, 95% [−0.01, 0.81]; p > .05), - Gemeinsames Erinnern:
ES = −0.05 (k = 3; 95% [−0.87, 0.76]; p > .05).
Literatur
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[1]https://www.inc.com/amy-morin/americas-loneliness-epidemic-is-more-lethal-than-smoking-heres-what-you-can-do-to-combat-isolation.html(abgerufen am 09.09.2020)
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